Erstmalig nach drei Jahren traf sich der Remscheider Stadtrat am 23. Februar wieder im Rathaus-Saal. Die Sitzung war zeitlich halbwegs kompakt, beinhaltete jedoch einige sehr wichtige Punkte. Bei der Rede des Stadtkämmerers Sven Wiertz (SPD) zur Einbringung des Haushalts 2023/2024 (TOP 4) gab es gleich die ersten Tiefschläge: Geplante Anhebung der Grundsteuer B von derzeit 620 auf perspektivisch 885 Punkte sowie Erhöhung von Hunde- und Vergnügungssteuer, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit der „Seestadt auf dem Berge“ abzuwenden.
Unter TOP 6.10 (Anfrage: „Vertreter der Stadt ohne Ratsbeschluss zu Besuch in Partnerstädten“) hakte der PRO-Remscheid-Fraktionsvorsitzende Andre Hüsgen nach, ob es denn von Fingerspitzengefühl zeuge, mit Beatrice „Bea“ Schlieper (Bündnis 90/Die Grünen) eine Stellvertreterin des Oberbürgermeisters ins zentralanatolische Kirsehir fliegen zu lassen, deren Partei Otto-Normalverbraucher die Nutzung von Flugzeugen verleiden will. Per Zwischenruf äußerte Schlieper, die Ausführungen Hüsgens seien „hanebüchener Unsinn“.
Während klar ersichtlich ist, dass die PRO-Remscheid-Faktion mit ihrer Anfrage „Erwerbsquote und Transferleistungsbezug von seit 2014 vor Ort ansässigen Asylbewerbern und Asylanten“ (TOP 6.11) fast alle volljährigen Personen mit Asyl-Kontext unterhalb des Rentenalters meint, beschränkte sich die Stadtverwaltung bei deren Beantwortung auf die Gruppe abgelehnter Asylbewerber, was keinerlei Aussagekraft hat. Fraktionsvorsitzender Hüsgen kündigte daher an, die Anfrage nochmals in modifizierter Form einzureichen, damit nicht mehr allein auf eine nicht repräsentative Untergruppe mit Asyl-Bezug referiert kann.
Zur Anfrage „Vorbestrafte Personen unter Asylbewerbern und Asylanten“ (TOP 6.12) ergriff PRO-Remscheid-Ratsherr Thorsten Pohl das Wort. Ordnungsdezernentin Barbara Reul-Nocke (CDU) entgegnete ihm, dass die kommunale Ausländerbehörde in ihren Akten strafrechtliche Verurteilungen vermerkt, aber keine Statistik darüber führe, wie viele Fälle vorbestrafter Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit es in der Stadt gibt. Diesmal rief Schlieper dazwischen, eine mögliche Statistik zu vorbestraften Ausländern gehe Pohl nichts an. Einmal mehr ein beredtes Zeugnis dafür, wie sehr Vertreter der Ampel-Ratskoalition meinen, Remscheid gehöre ihnen allein.
Trotz genügend Zeit sah sich die Stadtverwaltung außerstande, die PRO-Remscheid-Anfrage „Zusammenhang zwischen neuen Tempo-30-Strecken/Zonen und weniger Personenschäden“ (TOP 6.13) rechtzeitig zur Ratssitzung zu beantworten. Man darf deshalb auf die nächste Tagung am 23. März gespannt sein.
Anlässlich der Mitteilung der Verwaltung „Eröffnung einer weiteren Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Remscheid; hier: Standort Schulgebäude Am Stadion 2“ (TOP 7.1) fragte Thorsten Pohl nach, ob man es sich so vorzustellen habe: Hölterfeld für ukrainische Kriegsflüchtlinge und Lennep für Asylbewerber, die hauptsächlich aus islamischen Dritte-Welt-Staaten über die Balkan-Route in die Bundesrepublik gelangt sind. Dezernentin Reul-Nocke erwiderte ausweichend, die geplante Unterkunft Am Stadion sei für alle da, die auf sie angewiesen sein werden, unabhängig von der Herkunft.
Einen besonderen Auftritt von Andre Hüsgen gab es beim Altparteien-Antrag „Die Lasten gemeinsam tragen – Für eine spürbare Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Flüchtlingshilfe“ (TOP 14.1). Zum deutlichen Missfallen von Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD) sprach Hüsgen im Stehen zum Plenum. Er erinnerte an die Ratssitzung vom 18. Juni 2020 im Teo Otto Theater, als das geballte Gutmenschentum der Altparteien und ihrer Anhängsel sich pauschal für eine Aufnahme von noch mehr „Flüchtlingen“ aussprach. Die finanzielle Abwälzung des Schlamassels auf Land und Bund bringe rein gar nichts, weil Remscheids Bürger neben der Kommune auch an die beiden Staatsebenen ihre Steuern zu entrichten haben. An die Ratsmitglieder außerhalb der eigenen Fraktion gerichtet fasste Hüsgen zusammen: „Ihr habt’se bestellt, jetzt sind‘se da, also bezahlt‘se gefälligst selbst!“
Abschließend meldete sich PRO-Remscheid-Ratsherr Nico Ernst zur Einrichtung der Stelle eines Biodiversitäts-Managers (TOP 17) zu Wort. In einer Situation, in der Remscheid mit der Grundsteuer-B-Spitzenreiterin Bergneustadt (Oberbergischer Kreis) in enge Konkurrenz trete, seien Posten wie dieser der Bürgerschaft nicht zu vermitteln. Erst bei soliden Finanzen und guten Steuereinnahmen könne man über einen solchen Manager nachdenken.
„Freilich liest man von unseren unmissverständlichen Stellungnahmen am 23. Februar rein gar nichts in den ‚General-Anzeiger‘-Ausgaben (RGA) der Folgetage“, resümiert der PRO-Remscheid-Fraktionsvorsitzende Andre Hüsgen.
„Es ist das alte Spiel, das wir von Frank Michalczak und seinen ‚journalistischen‘ Kollegen gewohnt sind. In der extrem selektiven Wahrnehmung des RGA hat PRO Remscheid trotz Fraktionsstatus im Rat nicht stattzufinden. Jede noch so obskure Aussage eines Altparteien-Hinterbänklers ist aus RGA-Perspektive stets wichtiger als unser schwungvolles Engagement für den einfachen Bürger der ‚Seestadt auf dem Berge‘. Zum Glück leben wir in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft, in der ewiggestriger Torwächter-‚Journalismus‘ der staubigen Marke RGA immer weniger zieht. Gut so!“