Folgendermaßen lässt sich die Stadtratssitzung vom 19. Juni zusammenfassen: Letztes Treffen vor den Sommerferien, das halbwegs lang andauerte und vor allem gegen Ende einen bemerkenswerten Höhepunkt zu bieten hatte. Der erste TOP von Interesse war unter 4 zur Thematik des geplanten Outlet Center im Stadtbezirk Lennep zu finden. Resultat der abschließenden Abstimmung zu TOP 4: Der gesamte Rat entschied sich für das Projekt mit Ausnahme der Fraktion „Die Linke“, des Einzelratsmitglieds Bettina Stamm sowie von der Fraktion PRO Remscheid Thorsten Pohl. Die Fraktion PRO Remscheid erklärte bei der für die Stadt sehr weitreichenden Maßnahme das Votum ihrer Mitglieder zur persönlichen Gewissensentscheidung.
Die Beantwortung einer PRO-Remscheid-Anfrage nach Monaten der Bearbeitung durch die Stadtverwaltung fand sich unter TOP 5.2 („Zusammenhang zwischen neuen Tempo-30-Strecken/Zonen und weniger Personenschäden“). In Kooperation mit dem örtlichen Polizeipräsidium Wuppertal wurde angegeben, zu wie vielen Unfällen mit Verletzungen von Personen es binnen der letzten Jahre auf neueren Tempo-30-Strecken/Zonen gekommen war. Der Zweck der Anfrage wurde allerdings glatt verfehlt, da die Zahlen keinerlei Aufschluss darüber geben, ob die Neueinrichtung von Tempo-30-Strecken/Zonen zu messbar mehr Sicherheit der Verkehrsteilnehmer geführt hat.
Unter TOP 9.4 („Teilhabe ermöglichen-Angebote auch in einfacher bürgernaher Sprache“) meldete sich der stellvertretende PRO-Remscheid-Fraktionsvorsitzende Thorsten Pohl zu Wort und zerriss verbal den Antrag der herrschenden Ratsampel aus SPD, Grünen und FDP. Verständlichere Sprache werde bereits dadurch erreicht, in allen Texten jegliche Gender-Ideologie zu streichen. Allgemein verständliches Deutsch der Verwaltung auf eine Art Kindersprache herabzusenken, um insbesondere Einwanderer zu erreichen, sei in keiner Weise zielführend, weil damit den Neuankömmlingen signalisiert werde, die deutsche Sprache nur maximal mittelmäßig beherrschen zu müssen, um bereits gesellschaftliche Teilhabe zu erlangen.
Der PRO-Remscheid-Antrag „Städtepartnerschaft Israel (in Reaktion auf Anfrage 16/4370)“ kam unter TOP 9.6 an die Reihe, wobei sich der Fraktionsvorsitzende Andre Hüsgen meldete. Hüsgen wies darauf hin, dass sein Stellvertreter Thorsten Pohl langjähriges Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist. Er sei daher besonders geeignet, durch den Stadtrat für die Findung einer israelischen Kommune beauftragt zu werden, weil er sich bereits Dutzende Male im Land zwischen Rotem Meer und Golanhöhen aufhielt. Hüsgen regte an, Pohl zu einem „Legaten des Oberbürgermeisters“ und „Botschafter des Friedens“ zu machen, stieß jedoch bei den Altparteien auf taube Ohren, die trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse offenbar kein Interesse an einer Städtepartnerschaft in Israel hegen.
Ein förmliches Feuerwerk der Emotionen löste Andre Hüsgen mit seinem Kommentar zur Verwaltungsvorlage „Beitritt der Stadt Remscheid zur Städteinitiative: ‚Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit‘“ (TOP 29) aus. Der PRO-Remscheid-Fraktionsvorsitzende plädierte dafür, aus Gründen flüssigen Verkehrs möglichst viel Tempo 50 auf den Hauptadern der Stadt zu gewährleisten und auf weitere Tempo-30-Strecken/Zonen zu verzichten. Einem sichtlich angefressenen CDU-Fraktionsführer Markus Kötter platzte der Kragen und er fragte rhetorisch, welcher „Theaterdramaturg“ Hüsgen die Reden schreibe und wie man so viel politische Destruktivität zeigen könne. Schließlich bestehe der Stadtrat aus lauter Ehrenamtlern, die nach Stunden einer Sitzung in sommerlicher Hitze endlich nach Hause zurückkehren wollen. Die Reaktion auf Kötters Hass-Suada, insbesondere im Lager der Linksgrünen, ließ in Form von Gejohle nicht lange auf sich warten.
„Bei jemandem wie CDU-Mann Markus Kötter, der durch seine Ehrenämter rund 2.700 Euro monatlich bezieht, und dann noch öffentlich jammert, ihn überforderten die gepfefferten Stellungnahmen der einzig echten Opposition zum Ampel-Plus-Einerlei im Rat, fehlt mir jegliches Verständnis“, macht der PRO-Remscheid-Fraktionsvorsitzende Andre Hüsgen unmissverständlich deutlich.
„Was Amtskollege Kötter über seine diversen Posten in der Kommunalpolitik einnimmt, verdienen andere noch lange nicht trotz wöchentlicher 40 Stunden harter Erwerbsarbeit. Über die Entschädigungsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen lassen sich Kötters Bezüge recht simpel errechnen: CDU-Fraktionsführer im Rat bedeutet den vierfachen Entschädigungssatz, Bürgermeister des Bezirks Lenneps bedeutet den dreifachen Satz und hinzu kommt sein stellvertretender Vorsitz im Aufsichtsrat der Gewag. Gerade er sollte sich deshalb mit öffentlichen Lamenti über vermeintlich gebeutelte Ehrenamtler der politischen Sphäre vornehm zurückhalten. Denn Kötters mehr als ungelenkes Verhalten dürfte auf Dauer dem mit Hintergrundkenntnissen ausgestatteten Bürger sehr übel aufstoßen.
Alles in allem lässt sich zur Ratssitzung 19. Juni bilanzieren, dass wir mit guten fünf Stunden Sitzungsdauer etwas länger als durchschnittlich tagten, jedoch klar hinter den Befürchtungen lagen, wir könnten uns der großen Marke Mitternacht nähern. Nach erfolgtem Abschluss des ersten politischen Halbjahres 2023 gönne ich mir jetzt etwas Urlaub, um anschließend entspannt zurückzukehren und ab der zweiten August-Hälfte den Großkopferten der Stadtspitze Remscheids wieder ordentlich auf die Finger zu hauen, wo dies im Sinne der Bürgerschaft dringend geboten ist!“